Montag, 7. Oktober 2013

Gedanken zum Film "Die Jagd"


Familie steht über allem. Doch was geschieht, wenn die eigene Tochter plötzlich behauptet, der aller beste Freund ihres Vaters habe sich sexuell an ihr vergriffen? Für den Vater schwer vorstellbar, dass der beste Freund zu so etwas fähig sein soll. Das kann ja nicht sein. Oder doch? Kinder lügen bekanntlich ja nicht.
Angefangen hat alles damit, dass die kleine Klara ihren Kindergärtner, der gleichzeitig der beste Freund ihres Vaters ist, gut mag. Ein bisschen zu gut mag. Sie bastelt ihm ein Herz als Geschenk und drückt ihm einen Kuss auf den Mund. Lucas, gespielt von Mads Mikkelsen, ist sehr erstaunt über das Verhalten der kleinen Blondine.
Er ist ein Kumpel- Typ. Ein Kindergärtner, wie ihn sich jedes Kind wünschen kann. Er ist aufmerksam und scheut sich nicht davor, sich mit den Knaben im Schlamm zu wälzen.
Klaras Reaktion auf Lucas' Abfuhr scheint unvorstellbar. Als sie eines Abends im Kindergarten auf ihre Mutter warten muss, erzählt sie der anderen Kindergärtnerin, Grethe, Lucas habe ihr seinen >Schniedel< gezeigt. Für Grethe ein Schock. Sie muss die Eltern informieren. Doch es ist schwierig!
Schliesslich ist es eine heikle Situation. Handelt es sich doch um ein Tabu- Thema.
Wie wird die Familie auf den Vorfall reagieren? Wem wird der Vater glauben? Wird die Freundschaft der Männer dieser Zerreißprobe standhalten?
Dies sind alles Fragen, die ich mir beim Schauen des Films gestellt habe.
Die beiden Männer können doch auch sonst über alles reden. Weshalb ist dieses Thema so gefürchtet, dass man nicht einmal mit dem besten Freund darüber sprechen kann?

Wenn zwei erwachsene Menschen miteinander Schlafen ist das nicht etwas, was man an die grosse Glocke hängt. Es ist etwas intimes, etwas privates.
Aber weshalb ist es auch ein Tabuthema, wenn sich ein Erwachsener an einem kleinen Mädchen vergreift? Das Kind hat es nicht freiwillig gemacht, ihm wurde Unrecht zugefügt.
Und dem Pädophielen wird es wahrscheinlich auch unangenehm sein, wenn man über ihn und seine schrecklichen Taten spricht. Warum tut man es dann nicht? Es kann doch allen nur recht sein, wenn sich der Täter nicht gut fühlt, wenn seine Taten an die Öffentlichkeit gelangen und er dafür bestraft wird.

Das Thema, um das sich der Film dreht, ist meiner Meinung nach nicht heikel, weil es um Sexualität geht, sondern weil das Thema gerade deswegen ein wenig vorbelastet ist und viele Menschen, wenn es darum geht, sehr voreilig reagieren und ihre Schlüsse ziehen.
Im Film hat Grethe sofort die Mutter und die anderen Eltern der Kindergärtlern informiert. Sie hat zwar vorher mit Lucas gesprochen, hat ihm aber nicht die Chance gelassen, mit Klaras Eltern darüber zu sprechen, bevor alle davon wussten. In einem kleinen Dorf spricht sich solch ein Vorfall sehr schnell herum und die Bewohner sprechen alle miteinander über jeden. Lucas wird verurteilt, ohne dass ihm die Chance gelassen wird, zuerst alles mit seinem besten Freund und Klara zu klären. Vielleicht hätte er ja herausfinden können, weshalb Klara so etwas erzählt, bevor alle dem kleinen Mädchen eingeredet haben, sie habe Recht und Lucas habe ihr das wirklich angetan.
Ich habe es so aufgefasst, dass Klara sich in Lucas verliebt hat und aus Rache, weil er ihr gesagt hat, dass das nicht gehe, dann diese Geschichte erzählt hat.
Ich finde nicht, dass der Fehler bei dem Mädchen liegt. Sie ist noch sehr jung, sie kann schwer wissen, welche Konsequenzen ihre Aussage hat.
Ich finde, der Fehler liegt bei den Eltern von Klara und bei der Dorfbevölkerung. Sie haben zu schnell reagiert, haben Lucas nicht die Chance gelassen, sich zu erklären.
Ich behaupte aber nicht, dass sie komplett falsch reagiert haben, sie hätten nur nicht so gedankenlos schnell reagieren sollen.
Ich finde auch, es ist eine schwierige Situation. Man kann nicht einfach nur sagen, Klara sei halt ein kleines Mädchen, welches eine blöde Geschichte erfunden hat, weil ja schliesslich der beste Freund des Vaters unmöglich zu so etwas fähig sein kann. Man muss in solchen Fällen unbedingt alles prüfen, um ausschliessen zu können, dass sich Lucas wirklich nicht an ihr vergriffen hat. Denn wenn auch nur etwas Wahres an Klaras Aussage ist, muss der Verantwortliche die Konsequenzen dafür tragen.
Der Film greift ein Thema auf, über welches oft diskutiert wird. Viele Menschen stellen sich die Frage, was es so schwer macht, über Sexualität zu sprechen.
Der Film zeigt auf eine gute aber auch brutale Art und Weise auf, wie schnell die Aussage eines kleinen Mädchens und das „Überreagieren“ der Bevölkerung das Leben eines unschuldigen Menschen komplett auf den Kopf stellen und zerstören können. Anstatt mit ihm über den Vorfall zu sprechen, wird er beschimpft, angegriffen, verprügelt und seine Hündin, welche auch von Klara sehr gemocht wird, wird tod vor seine Haustüre gelegt.
Die Geschichte regt zum Denken an und geht wohl kaum an jemandem spurlos vorbei.


1 Kommentar:

  1. Ausführlich, über weite Strecken gute Sprache. Die Unfähigkeit, sich mit dem Thema auseinandersetzen zu können, scheint mir ein zentraler Angriffspunkt des Films zu sein, wie Sie es hier auch unterstreichen. An manchen Stellen ist die Aussage noch nicht ganz klar, zum Beispiel von Zeile 19 an: »Wenn zwei erwachsene Menschen […] bestraft wird.«

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